Werden Antibiotika zu oft, vor allem aber unterdosiert eingesetzt, dann können bestimmte Bakterien multiresistent werden. Gängige Antibiotika verlieren damit ihre Wirksamkeit gegenüber bestimmten bakteriellen und unter Umständen lebensbedrohlichen Infektionen. Derartige Keime werden als multiresistent bezeichnet, da eine Vielzahl von Antibiotika bei ihnen keine Wirkung entfaltet. Im Humanbereich nennt man diese Bakterien auch „multiresistente Krankenhauskeime“. Allerdings sind diese nicht nur weltweit für den Menschen hochproblematisch, auch Tiere, die unter Umständen der Lebensmittelgewinnung dienen, sind heutzutage massiv davon betroffen. Neuere Untersuchungen weisen sogar darauf hin, dass inzwischen auch Unempfindlichkeiten gegenüber sogenannten Reserve-Antibiotika existieren. Diese werden immer dann eingesetzt, wenn andere Antibiotika nicht mehr wirken – sie sind also für Notfälle gedacht. Nicht nur für die klassische Tiermedizin ist diese Situation dramatisch. Unter anderem ätherische Öle können hingegen eine wirkungsvolle und natürliche Behandlungsalternative bei der Bekämpfung von multiresistenten Bakterien darstellen.
Bakterien mit Superschutzschild
Sowohl der menschliche, als auch der tierische Organismus ist von einer Vielzahl von Bakterien besiedelt. Die mikroskopisch kleinen „Mitbewohner“ sind Teil des sogenannten Mikrobioms. Hiermit sind alle im und auf dem Körper lebenden Mikroorganismen gemeint. Neben Bakterien können dies zum Beispiel auch Viren oder Pilze sein.
Normalerweise stellen „gewöhnliche“ Bakterien keine Gefahr für gesunde Menschen und Tiere dar. Ganz im Gegenteil, sie sind unter Umständen sogar überaus hilfreich: etwa in Form von nützlichen Darmbakterien (beispielsweise Enterokokken, Bifidobakterien, Lactobazillen), welche intensiv an den Verdauungsvorgängen unserer Haustiere (etwa Hund, Katze, Pferd, Kaninchen) beteiligt sind.
Multiresistente Bakterien unterscheiden sich hingegen von ihren normalen Vertretern. Und dass, obwohl beide die gleichen potenziell krankmachenden Eigenschaften in sich tragen können. Der Begriff multiresistent setzt sich aus multi = viel(fach) und lat. resistentia = Widerstand zusammen. Multiresistente Bakterien besitzen also eine Unempfindlichkeit gegenüber verschiedenen gängigen Antibiotika, das bedeutet sie überleben diese. Dies verschafft ihnen einen Vorteil im Wettbewerb mit anderen Bakterien(arten). Denn während auf Antibiotika empfindlich reagierende Bakterien verdrängt oder ganz zum Verschwinden gebracht werden, nehmen multiresistente Keime die freiwerdenden Plätze ein und breiten sich damit weiter aus.
Spontane Veränderung, einfache Übertragung
Eine derartige Resistenz entsteht entweder durch Mutation oder durch Übertragung. Im ersten Fall handelt es sich um eine zufällige Veränderung des Erbguts, die eine Unempfindlichkeit gegenüber Antibiotika mit sich bringt. Im zweiten Fall überträgt sich die Antibiotika-Resistenz von einem Bakterium auf ein anderes. Dies geschieht mithilfe von eigenständigen genetischen Einheiten, den sogenannten Plasmiden. Sie existieren zusätzlich zum sonstigen Erbgut eines Bakteriums und liegen in Form von kleinen Ringen vor. Darin enthaltene Resistenz-Gene können nicht nur auf Bakterien derselben Art, sondern auch auf andere Arten übertragen werden – ihre Verbreitung wird hierdurch sehr einfach. Bestimmte Keime können sogar – wie etwa die antibiotika-resistente Form des Staphylococcus aureus – unterschiedliche Resistenz-Gene besitzen.
Die üblichen Verdächtigen
Die wichtigsten Vertreter derartiger Problembakterien beim Tier sind beispielsweise Staphylococcus aureus (MRSA), Staphylococcus pseudintermedius (MRSP), Pseudomonaden, Acinetobacter sowie ESBL-bildende Enterobakterien. Letztere sind vorrangig Bakterien wie etwa Escherichia coli (kurz E. coli) oder Proteus, die im Verdauungskanal eines Tieres zu finden sind.
Sowohl MRSA als auch MRSP sind gegen das Antibiotikum Methicillin unempfindlich. Dieses gehört zur Gruppe der Beta-Laktam-Antibiotika. Es hemmt die Zellwandsynthese von Bakterien, besitzt allerdings nur ein schmales Wirkspektrum. Methicillin wird heutzutage nicht mehr therapeutisch eingesetzt, wohl aber das in Europa zugelassene und zur gleichen Gruppe gehörende Antibiotikum Oxacillin. Deshalb spricht man zum Beispiel auch vom Oxacillin-resistenten Staphylococcus aureus (kurz ORSA).
Bei ESBL-bildenden Enterobakterien – die Abkürzung ESBL steht für „Extended-Spectrum-Beta-Laktamase“; die Endung -ase gibt immer einen Hinweis auf ein Enzym – handelt es sich um Darmbakterien, die eben dieses Enzym produzieren. Dieses setzt die Wirksamkeit Beta-Laktam-haltiger Antibiotika herab oder hebt sie sogar auf. ESBL-positiv sind vor allem Hunde, prozentual gefolgt von Katzen, Rindern und Pferden.
Multiresistente Bakterien beim Tier
Staphylococcus aureus (gram-positiv; MRSA = Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus oder Multi-Resistenter Staphylococcus aureus): Dieses Bakterium findet sich auf der Haut und den Schleimhäuten von warmblütigen Tieren; auch in Futtermitteln und Gewässern.
Staphylococcus pseudintermedius (gram-positiv; MRSP = Methicillin-resistenter Staphylococcus pseudintermedius oder Multi-Resistenter Staphylococcus pseudintermedius): Das Bakterium findet sich auf der Haut von Tieren sowie in der Umwelt wieder (zum Beispiel in Gewässern, in der Luft sowie in Futtermitteln).
Pseudomonaden (gram-negativ; alle Stämme): Eine Gattung stäbchenförmiger, mit polaren Geißeln sich aktiv bewegende, aerobe Bakterien. Sporen bilden sie nicht. Pseudomonaden sind ubiquitär, also allgegenwärtig in der Umwelt („Pfützenkeim“). Sie kommen unter anderem bei immunschwachen Tieren vor und können in der Regel nur schwer zum Verschwinden gebracht werden.
Acinetobacter (gram-negativ; alle Stämme): Gattung der Neisseriaceae aus der Gruppe der aeroben Stäbchen und Kokken. Es handelt sich um weit verbreitete Boden- und Wasserbakterien, die sehr gefährlich für immunschwache Tiere sind.
ESBL-bildende Enterobakterien (unter anderem E. coli, Proteus, Klebsiella; alle hier Genannten sind gram-negativ).
Übertragungswege
Zur Übertragung multiresistenter Bakterien kommt es unter anderem durch direkten Kontakt zwischen Mensch und Tier bzw. zwischen Tier und Tier. Betroffene Individuen sind entweder bereits mit einem multiresistenten Erreger infiziert und erkrankt, oder aber sie fungieren als Träger. Daher können Körpersekrete bzw. -ausscheidungen (etwa Auswurf oder Kot) sowie kontaminierte Hautoberflächen hochproblematisch sein. Bislang wurden unter anderem bei Hunden, aber auch bei Katzen und Pferden multiresistente Keime nachgewiesen. Diese kamen etwa in Abstrichen aus Maul, Ohr und Nase sowie auf der Haut, im Kot und an Haaren vor – auch in meiner auf das Verdauungssystem spezialisierten Tierheilpraxis. Darüber hinaus stellen mit multiresistenten Bakterien kontaminierte Gegenstände eine weitere potenzielle Ansteckungsquelle dar.
Natürliche Bakterienkiller
Bei VetScreen – einem Veterinärlabor ausschließlich für Tierheilpraktiker – werden seit 2014 potenziell multiresistente Keime, auf ihre Unempfindlichkeit gegenüber Antibiotika getestet: dies sind Staphylococcus aureus und pseudintermedius, denn Pseudomonaden und Acinetobacter gelten per se als multiresistent. Auf einen positiven Befund folgt in der Regel ein sogenanntes Antibiogramm – und falls zusätzlich vom behandelnden Tierheilpraktiker gewünscht – ein Aromatogramm.
Ein Antibiogramm zeigt, auf welche Antibiotika ein bestimmter bakterieller Krankheitserreger empfindlich bis resistent reagiert. Hierfür nutzt VetScreen das sehr sensible Mikronaut-S-System der Firma MERLIN Gesellschaft für mikrobiologische Diagnostika mbH. Mithilfe sogenannter Mikrotitrationsplatten überprüft das Veterinärlabor die Empfindlichkeit von Bakterien.
17 ätherische Öle gegen multiresistente Bakterien
Das Aromatogramm ist mit einem Antibiogramm vergleichbar. Jedoch wird in diesem Fall die Reaktion des Keimes auf verschiedene, mit ätherischen Ölen getränkte Testplättchen untersucht. VetScreen nutzt hierfür insgesamt 17 ätherische Öle (100-prozentige Konzentration), die sich bei der Bekämpfung von multiresistenten Keimen bewährt haben: dies sind Fenchel-Öl, Thymian-Öl, Teebaum-Öl, Bohnenkraut-Öl, Oreganum-Öl, Nelken-Öl, Zimtblätter-Öl, Melissen-Öl, Lemongras-Öl, Angelikawurzel-Öl, Palmarosa-Öl, Muskatellersalbei-Öl, Neroli-Öl, Rosengeranien-Öl, Manuka-Öl, Ravintsara-Öl und Lavendel-Öl.
Wirksamkeit beurteilen
Ob sich ein Antibiotikum oder ätherisches Öl tatsächlich für die Bekämpfung eines multiresistenten Keims eignet, zeigt zum Beispiel die Beurteilung der sogenannten Hemmhöfe auf einer Bakterienkultur. Bei einem Antibiogramm lauten die Ergebnisse: S = empfindlich, I = intermediär empfindlich (= in der Mitte liegend) oder R = resistent. Bei einem Aromatogramm werden die Angaben – = 0 mm (nicht wirksam), + < 10 mm (geringe Wirksamkeit), ++ = > 10 mm (mäßige Wirksamkeit), +++ = > 20 mm (gute Wirksamkeit) gemacht. Nur empfindliche Antibiotika bzw. gut wirksame ätherische Öle sind für eine erfolgversprechende Therapie geeignet. Dabei gibt man ätherischen Ölen immer der Vorzug, da diese Vielstoffgemische sind, die die Bildung von Resistenzen erschweren bzw. unmöglich machen.
Hinweis zur Anwendung ätherischer Öle
Bevor ein ätherisches Öl verwendet werden kann, muss geprüft werden, ob dieses bei der jeweiligen Tierart eingesetzt werden darf – dies gilt vor allem für Katzen. Ohne entsprechendes Fachwissen, dürfen ätherische Öle deshalb nicht angewendet werden.
Hoffnung auch für Spezialfälle
Ist ein Tier pseudomonaden-positiv getestet, dann sollte vor allem bei diesem Keim unbedingt während einer Therapie mit ätherischen Ölen gleichzeitig das Immunsystem des tierischen Patienten intensiv unterstützt werden. Denn geschieht dies nicht, dann ziehen sich Pseudomonaden zwar unter der Behandlung zunächst zurück. Ist diese jedoch abgeschlossen, dann ist ihre Wiederkehr bereits vorprogrammiert.
Wichtige Hygienemaßnahmen
Wichtig sind beim Thema „multiresistente Bakterien“ Hygiene und Desinfektion. Neben dem gründlichen Waschen der Hände, ist zusätzlich das Tragen von Einmalhandschuhen beim Kontakt mit betroffenen Tieren ein Muss. Zudem sollten aus hygienischen Gründen möglichst nur Einwegartikel in der Tierheilpraxis zum Einsatz kommen. Alle anderen Instrumente und Materialien, die nicht Einwegartikel sind, werden umgehend nach dem Gebrauch gründlichst desinfiziert.
Wichtig ist dabei die Wahl eines geeigneten Desinfektionsmittels – auch für die Hände. Es gibt allerdings Wirkstoffgruppen, die problematischer sind. Denn ein unsachgemäßer Einsatz – dies kann etwa eine zu geringe Anwendungskonzentration sein – kann ebenfalls zu Resistenzen führen. Dies sind vor allem sogenannte quaternäre Amoniumverbindungen, aber auch Chlorhexidin. Im Gegensatz dazu, sind Desinfektionsmittel auf Basis von organischen Säuren, Alkoholen, Chlor- und Sauerstoffspaltern oder auch Aldehyden bei antibiotika-unempfindlichen Keimen sehr sicher und effektiv. Desinfektionsmittel, die diese Voraussetzungen erfüllen, finden sich in den „Informationen für Anwender von Desinfektionsmitteln“ der Deutschen Veterinärmedizinischen Gesellschaft e.V. (www.desinfektion-dvg.de). Für die Desinfektion von Flächen eignet sich in einigen Fällen zudem das Mittel von Sonett. Es besitzt eine geprüfte Wirksamkeit unter anderem gegen MRSA- und ESBL-Keime.
Natürliche Luftreiniger
Zudem können die ätherischen Öle von Zitrone und Gewürznelke unterstützen: Zitronen-Öl reinigt und desinfiziert zum Beispiel die Raumluft, auch kann Gewürznelken-Öl als desinfizierendes Raumspray eingesetzt werden.
Waschen, putzen, vernebeln
Darüber hinaus muss ein enger Kontakt mit einem derart infizierten Tier vermeiden werden. Auch sind die beschriebenen Hygienemaßnahmen sehr wichtig. Dazu gehört auch, dass das Tier nur mit seinen eigenen und keinesfalls mit fremden Pflegeartikeln & Co. in Kontakt kommen darf. Diese sollten – falls möglich – regelmäßig, wie beispielsweise auch Körbchen und Decken bei mindestens 60 oC gewaschen und/oder gründlichst desinfiziert werden. Dies gilt auch für Pferdeboxen. In ihnen kann zudem eine gezielte „Umgebungsbeimpfung“ mithilfe von Kanne Bio Brottrunk® für Pferde sinnvoll sein – hierfür wird er vernebelt. Dies kann unter Umständen zu einer Verdrängung von multiresistenten Bakterien beitragen.
Hinweis
Dies ist nur zu Ihrer Information und nicht als Anleitung zur Selbstdiagnose oder -therapie bestimmt. Sprechen Sie im konkreten Fall bitte Ihren Tierarzt oder einen Tierheilpraktiker in Ihrer Nähe an.
Beitrag zuletzt aktualisiert am 1. September 2023